Vorwort

Je älter wir werden, umso mehr besteht die Gefahr, dass wir vereinsamen ... Daran musste ich beim Schreiben dieser Kurz-geschichte denken, (weiß der Geier warum) weil unsere sogenannten guten Freunde sind weg, seitdem mein Mann schwer krank geworden ist. Und wer wünscht sich dann nicht das, was in dieser Geschichte passiert?

Kleiner Junge, großes Herz!

Ein kleiner Junge bleibt stehen. Er blickt sich um. Als er mich auf der Bank vorm Haus sitzen sieht, kommt er zu mir und fragt: »Warum weinst du denn?

»Ich weine doch gar nicht!«

»Doch!« Mit seinem kleinen Zeigefinger zeigt er auch mein Gesicht. »Da kullern sie.«

»Das sind Tränen der Freude!«, erwidere ich und wische mir mit dem Handrücken über meine feuchten Wangen.

»Du weinst, weil du dich freust?« Ungläubig schüttelt der Kleine den Kopf. »Ich weine nur, wenn ich mir wehgetan habe oder wenn ich traurig bin. Hast du dir auch wehgetan?« Kaum, dass er ausgesprochen hat, schon sitzt er neben mir und legt sein kleines Händchen auf meinen Arm.

Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Die Wahrheit, dass ich mich einsam fühle, dass kaum jemand mit mir redet? Nein! Außerdem habe ich ihn ja gesagt, dass es Freudentränen waren, die vorhin über mein Wangen gekullert sind. Während ich noch darüber nachdenke, spüre ich, dass sich erneut meine Augen mit Tränen füllen. Doch diesmal sind es wirklich Tränen der Freude.

Jetzt greife ich nach der Hand des Jungen. Als ich sie ganz sacht mit meiner umschlossen habe, sage ich leise: »Nein, ich habe mir nicht wehgetan. Und ich bin auch nicht traurig. Ich freue mich, dass ich dich kennengelernt habe, dass du neben mir sitzt und dass wir beide uns so nett unterhalten. Wie heißt du denn?«

»Tim! Mama und ich sind gestern …«, der Kleine zeigt auf das Haus gegenüber, »da drüben eingezogen. Guck, da kommt Mama! Wohnst du auch hier?«

»Ja, hier, wo die Bank steht, in dem Häuschen wohne ich!«

»Toll, dann kann ich dich ja immer besuchen. Und wie heißt du?«

»Ich bin Irmgard. Aber du kannst einfach Irmi zu mir sagen. Doch wenn du zu mir kommen möchtest, dann musst du das immer deiner Mama sagen. Denn sonst, Tim, sorgt sie sich um dich! Versprochen?«

»Mama ruft mich!« Er springt von der Bank. »Versprochen. Bis morgen, Irmi!« Weg ist er.

Natürlich weiß Irmgard nicht, ob der kleine Tim sie jemals besuchen wird. Doch eins weiß sie: Dieses Gespräch wird sie so schnell nicht vergessen. Denn es hat ihr etwas zurückgegeben: Wärme und Zuneigung, die sie lange Zeit vermisst hat. Und jetzt? Jetzt wird sie davon zehren können - dank eines kleinen Jungen: Namens, Tim.

© Barbara Acksteiner / 2023